Ich weiß, ich weiß, das Gebäude ist hässlich, jetzt! Aber mit ein bisschen Abstraktionsvermögen kann sich jeder Gutwillige vorstellen, dass nach einer eingehenden Sanierung das Gebäude der FH Potsdam an der Friedrich-Ebert-Straße 4 direkt am Alten Markt aus architektonischer und denkmalpflegerischer Sicht unbedingt eine höchst relevante Daseinsberechtigung besitzt.
Noch einmal ganz von vorne. Am Alten Markt in Potsdam wird zur Zeit umfangreich gebaut. Die Nikolaikirche von Karl Friedrich Schinkel ist bereits fertig saniert und erstrahlt im wahrsten Sinn des Wortes im neuen Glanz. Schräg gegenüber wird der neue Landtag Brandenburgs im Form eines rekonstruierten Schlosses neu errichtet und quasi als dritter Schenkel eines Dreiecks um den Alten Markt wird das alte Potsdamer Rathaus zum „Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte“ umgebaut. Auch das ist schon kurz vor der Fertigstellung sehr schick geworden.
Ein bisschen in die Ecke gedrängt, übrig geblieben, wirkt nun das alte Fachhochschulgebäude und auch völlig aus der Zeit geraten. Aus der Zeit geraten, weil die Umgebung auf die gute alte preußische Zeit zurückgetrimmt wird. Da passt ein sozialistischer Bau einfach nicht mehr rein. Die Geschichte des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates soll im historischen Zentrum Potsdams eliminiert werden, auch wenn dies sowieso nicht funktioniert, weil sich gleich hinter dem Potsdam Museum einige Wohnplatten an der Havel entlangziehen, die noch nicht einmal die architektonische Qualität des FH-Gebäudes besitzen. Dennoch wurde es 2009 nicht unter Denkmalschutz gestellt, weil angeblich der Denkmalschutz Substanzerhaltung sei und alle äußeren Bauteile wegen ihrer starken Beschädigungen neu ersetzt werden müssten. Wie viele denkmalgeschützte Gebäude in Deutschland werden aber zu großen Teilen komplett durch neue Bauteile saniert, nur um das historische Äußere zu erhalten? Und die Substanz dieses Hauses ist in keinster Weise komplett zu ersetzen, sonst könnte es aktuell nicht mehr so intensiv genutzt werden, oder? Die Begründung erscheint mir doch sehr fragwürdig und vorgeschoben.
Die Fachhochschule Potsdam hat mit dem Standort am Alten Markt ein funktionales, modernes und helles Gebäude, das in mancherlei Hinsicht als Aufenthaltsort für Angestellte, Dozierende und Studierende angenehmer ist, als der niegelnagelneue Campus an der Pappelallee. Allerdings sind dadurch, dass nichts mehr repariert wird, auch die inneren Räumlichkeiten mittlerweile so abgenutzt – wie z.B. die Sanitäranlagen -, dass man sich schon stellenweise arg ekelt. Eine grundlegende, einfühlsame Sanierung und Neugestaltung nach den höchsten aktuellen architektonischen Maßstäben würde aus diesem Gebäudekomplex jedoch eine wunderbar nutzbringende, helle und stilvolle Arbeits- und Begegnungsstätte werden lassen. Man muss nur den Willen dazu aufbringen und sich von dem Gedanken lösen können, dass alles aus der DDR-Geschichte rückstandslos verschwinden soll. Übrigens hat man in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Westdeutschland ähnlich gedacht und gnadenlos Altes abgerissen, was man heute sehr bedauert. Bitte nicht denselben Fehler wieder machen! Diesmal wäre der Fehler bezogen auf die Architektur der siebziger Jahre.
Natürlich weiß ich, dass ein Herr Günther Jauch zu diesem Platz ein Wörtchen in Potsdam mitzureden hat. Und diesem überaus großzügigen Mentor der Stadt – so erweckt es bei mir den Anschein, gerne lasse ich mich aber vom Gegenteil überzeugen – kann die städtebauliche Ausprägung Potsdams nicht historisch oder historisierend genug sein. Ich dagegen meine, dass manch eine Ausnahme der ganz häufig missratenen, architektonischen Hinterlassenschaften der DDR bedeutsame Historie sind und wertgeschätzt werden sollte. Und genau an dieser Stelle in Potsdam sollte, meiner Meinung nach, dieser für die Lehrerfortbildung von Sepp Weber 1971 – 1977 erbaute Hochschulbau der DDR erhalten bleiben. Und wenn ich mir vor Augen halte, was stattdessen Investoren häufig für langweile, minderwertige und billige Architektur auf dieser Art Sahnestückchen an Grundstücken setzen, denke ich nicht, dass mit dem Abriss des FH-Gebäudes dem Platzensemble wirklich Gutes getan würde.
Horizontale und vertikale Linien in einer ausgeglichenen Proportion zeichnen den Gesamtkörper des FH-Gebäudes aus. Gerade diese Modernität des vergangenen Jahrhunderts ist ein gewinnbringender, ästhetischer Kontrast zum Barock und Klassizismus der übrigen Bauten um den Obelisk herum. Der Hochschulkomplex schafft auf dieser Seite im Zusammenspiel mit dem Landtagsbau und der Nikolaikirche ein geschlossenes Raumgefühl für den Alten Markt mit einer spannungsvollen, aber auch heimeligen Atmosphäre. Auch die vernachlässigte Gartenanlage zur Ostseite hin mit Palisaden, Skulpturen, Bänken und Blumenbeeten kann wieder hergerichtet und so ein schöner Aufenthaltsort werden. Der blecherne, bunt-bemalte Kasten auf dem FH-Gebäude, in dem sich die im Haus laut zu vernehmende Klimaanlage für die Hörsäle befindet, sollte dabei wieder komplett zurückgebaut werden. Aber wenn man sich dann vorstellt, die Lisenen sind vervollständigt, die Wände getüncht, die Fensterrahmen erneuert und das Platzumfeld gestaltet, dann sagt kaum noch jemand: „Oh, wie hässlich ist dieses Gebäude!“
Nachtrag: In der Frankfurter Allgemeinen Zeiten (FAZ) wurde am 10.04.2017 ein Artikel mit ähnlicher Aussager veröffentlicht: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/stadtplanung-make-potsdam-schoen-again-14953237.html
2 Kommentare
hey, schöner text.
und wichtig, denn dieses Gebäude hat keine Lobby.
Ich denke es wäre schon viel an Nachhaltigkeit (die in der Potsdamer Mitte nur im Sinne ‚ästhetischer Relevanz‘ eine Rolle spielt) gewonnen, wenn die Gebäudekonstruktion weiter und umgenutzt würde. Funktional hat diese Anlage unheimliches Potential – gerade auch als Verbindung und öffentlicher Innenraum.
mir persönlich ginge es um einen Erhalt der Substanz, weniger um die institutionalierte Form als Denkmal ohne Eingriffsrecht.
Danke für die Zustimmung! Ich meine zusätzlich, dass es auch dem Platz und dem künftigen Landtag gut tun würde, wenn die Fachhochschule weiter dort aktiv wäre. Allerdings wären auch andere öffentliche Nutzungen, wie z.B. eine Kunsthalle, eine Art Bürgerforum mit Veranstaltungsräumen, Übungskellern, Internet-Lounges o.ä. denkbar. Das Potential für eine bürgernahe Nutzung und Ausstrahlungskraft auf die Umgebung ist bei diesem Gebäudekomplex wirklich, wie Du schreibst, enorm.