Unglaublich! Unglaublich brutal und unglaublich dumm! Heute wurde von der Richterin Maria Syrowa im Chamowniki-Gericht in Moskau das Urteil gegen die Punkband Pussy Riot, also Jekaterina Samutsewitsch, 30 Jahre alt, Maria Aljochina, 23 Jahre alt, und Nadeschda Tolokonnikowa, 22 Jahre alt, verkündet: zwei Jahre Straflager für jede von ihnen (siehe Artikel auf SPON)!
Was für ein unmenschlich-hartes Urteil angesichts eines kurzen Auftritts in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, bei dem für die Vertreibung des russischen Präsidenten Putin aus der Politik lautstark und bizarr gebetet wurde. Das Urteil und das Strafmaß ist bar jeder Logik eines westlich zivilisierten Staates. Und es gab doch einmal eine Zeit, da hatte sich Russland kulturell zum Westen zugehörig gefühlt, oder? Mit diesem Urteil hat sich diese Zugehörigkeit nun definitiv erledigt.
Bei dieser Aktion ist niemand körperlich zu Schaden gekommen. Lediglich Hausfriedensbruch ist festzustellen und vielleicht wurde auch das eine oder andere ältliche russische Mütterchen in ihrem orthodoxen Glauben vor den Kopf gestoßen. Aber rechtfertigt diese höchstenfalls als Ordnungswidrigkeit zu bezeichnende und nur mit einer Geldbuße zu belegende Tat der drei Künstlerinnen zwei Jahre Freiheitsentzug?
Nein, natürlich nicht. Darin sind sich mit Sicherheit alle Bürger der EU einig. Zwiespältige Gefühle hatte die westliche Welt bereits bei dem überaus harten Schuldspruch gegen den Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski, der im Dezember 2010 noch einmal zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde und somit insgesamt 14 Jahre einsitzen muss. Aber – das ist sein Nachteil – Chodorkowski ist erstens ein vermeintlich starker Mann und war zweitens in den Umbruchjahren nach dem Kommunismus sehr schnell sehr reich geworden. Man kann sich also nie sicher sein, ob er sich nicht doch etwas hat zu schulden kommen lassen. So oder ähnlich wird in diesem Fall gedacht und entsprechend zaghaft protestiert.
Diesmal ist es aber anders und Putin hat zusammen mit seiner marionettösen Richterin Syrowa einen Fehler gemacht: erstens sind die Verurteilten sehr junge, attraktive, verletzliche und vermeintlich schwache Frauen, zumal zwei von ihnen auch noch Mütter von kleinen Kindern sind. Zweitens kann die Welt mit eigenen Augen sehen, welchen Verbrechens sich die Pussy Riots schuldig gemacht haben, nämlich einer Bagatelle.
Der Auftritt der Pussy Riots in der Christ-Erlöser-Kathedrale war eine Kunstaktion mit eindeutiger politischer Aussage gegen den Machthabenden. Dieser schlägt mit Hilfe der von ihm gesteuerten Justiz gegen alle seine Widersacher skrupellos zurück. Die orthodoxe Kirche profitiert von der Zusammenarbeit mit dem Präsidenten, also unterstützt sie ein gnadenloses Vorgehen gegen solche Provokationen. Staat und Kirche treten in Russland nun zum wiederholten Male die Meinungs- und Kunstfreiheit mit Füßen, ja sogar mit Springerstiefeln.
Ich würde es mir wünschen, wenn alle Leserinnen und Leser dieses Blogs in irgendeiner Weise ein sichtbares Zeichen gegen dieses Urteil setzen würden. Wie wäre es mit Tragen von bunten, gestrickten Sturmhauben oder von T-Shirts mit dem Aufdruck „Jungfrau Maria, vertreibe Putin“ oder dem Schreiben von eigenen Blog-Beiträgen, die untereinander verlinkt werden könnten? Ich freue mich auch über jede andere kreative Idee.
Ich fordere hiermit die deutsche Regierung dazu auf, eindringlicher, als sie es bislang getan hat, auf die russische Regierung Druck auszuüben, damit die Bandmitglieder der Pussy Riots wieder frei kommen. Das Gleiche fordere ich von den Vertretungen der evangelischen und katholischen Kirche. Sie sollten ebenfalls bei all ihren Kontakten in der russisch-orthodoxen Kirche und mit allen erdenklichen Wirkungsmöglichkeiten ihren Protest äußern.
Angeblich geht es in dem Urteil um Glauben und dessen Beleidigung. Eigentlich geht es aber um geäußerte Kritik an den Mächtigen, an Putin und die mit ihm verbündeten russischen Kirchenoberen. Wir sollten helfen, dieses „unglaubliche“ Unwesen gegen Andersdenkende in einen Glauben an die menschliche Fairness, die Rechtsstaatlichkeit und die christliche Gnade umzuwandeln.